Andreas Kirchner, BSc
Platzierung Best of the Best 2010:
2. Platz, Bachelor Informatik
Ausprägungsfach: Medizinische Informatik
Thema der Bachelor-Arbeit: "FBCI. A Firefox Brain Computer Interface"
Gründe für ein Studium an der Informatik an der Universität Wien:
Mein ursprünglicher Wunsch nach Absolvierung der HTL "Elektrotechnik / Technische Informatik" war, die stark ingenieursmäßige Fokusierung aufzugeben und ein mehr interdisziplinäres Studium der Kognitionswissenschaften zu beginnen, um sich offenen Forschungsfragen der Kognition zuzuwenden. Da dies jedoch 2006 in Wien nicht möglich war, begann ich ein Informatik-Studium und absolvierte zusätzliche Lehrveranstaltungen an der Biologie und immer mehr der Philosophie (mit dem vorläufigen Ziel, ein individuelles Studium zu beantragen). Das Ausprägungsfach Medizininformatik habe ich gewählt, weil mir das Naheverhältnis zu Kognitionswissenschaften am ehesten gegeben schien.
Inwieweit haben sich diese Vorstellungen im Rahmen des Studiums bewahrheitet?
Es zeigte sich während des Studiums, dass das Thema Kognition durchaus präsent war (Neuroinformatik, Medizinisches Propädeutikum, Human-Computer-Interaction). Jedoch änderte sich mit einer differenzierteren Betrachtung des Themas Kognition und Informatik auch meine Interessenslage, oder genauer: Sie spaltete sich in Teilgebiete auf: Künstliche Intelligenz, Theoretische Informatik / Logik, Softwareentwicklung im Allgemeinen, Krankenhausinformationssysteme, Wissensbasierte Systeme, Philosophie und Technikphilosophie. Dadurch erschien mir der bürokratische Aufwand für ein Individuelles Studium nicht mehr sinnvoll und ich beschloss das volle Informatikstudium abzuschließen und zusätzlich Philosophie-Lehrveranstaltungen zu besuchen. Zu dieser Entscheidung haben unter Anderem die angenehme Studiensituation an der Fakultät Informatik an der Universität Wien beigetragen - meine Kolleginnen und Kollegen miteingeschlossen.
Was hat Ihnen am Studium am besten gefallen?
Erfreulicherweise war das Informatik-Studium kein stark ingenieurwissenschaftliches Studium und ging wenig auf die Aspekte der Elektrotechnik ein (Bauteile dimensionieren, Schaltkreise, Hardwarenahe Programmierung). Dafür gab es Raum für Paradigmen der Softwareentwicklung, die Entwicklung eines größeren Softwareprojekts in einem kleinen Team, gesellschaftliche Verflechtungen der Informatik sowie das Verfassen und Recherchieren von wissenschaftlichen Artikeln zu informatischen Forschungsfragen. Speziell in der Medizinischen Informatik wurde uns ein tiefer Einblick in die Probleme und Herausforderungen von Krankenhausinformationssystemen und eHealth geboten, da Lehrende an der Entwicklung eines solchen Systems im AKH Wien wesentlich beteiligt sind. Wir waren in der glücklichen Lage, dass die Anzahl der Studierenden in unserem Jahrgang überschaubar war (50-100 Kolleginnen) und wir uns daher alle gut kannten, was beim Studieren zu einem angenehmen Klima beitrug und in meinen Fall auch zu länger anhaltenden Freundschaften führte.
Wo gibt es aus Ihrer Sicht Verbesserungsmöglichkeiten?
Im Bereich der Informatik-Kernfächer wäre eine größere Anzahl an Wahlmöglichkeiten erfreulich. Da ich an der Entwicklung des neuen Studienplans über die Studienvertretung beteiligt war, weiß ich wie schwer es sein kann die unterschiedlichen Anforderungen (finanziell, organisatorisch, personell, forschungsbedingt, die Lehre betreffend) unter einen Hut zu bringen und weiß auch, dass im kommenden Studienplan zumindest ein Minimalset von Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen wird. Es gibt eine Reihe von interessanten Forschungsprojekten an der Fakultät, in die man als Studierender nur schwer Einblick hat, es sei denn man arbeitet dort mit. Etwas mehr Transparenz, auch im Sinne von "Forschungsgeleiteter Lehre" könnte für alle Beteiligten förderlich sein. Das theoretisch gute Betreuungsverhältnis wird nur selten praktisch ausgenützt. Man müsste - solange das noch der Fall ist - die überschaubaren Studierendenzahlen als Chance begreifen und für Forschungskreise nutzen. Wie man bei den Studierendenprotesten sieht, sind viele bereit, sich sogar unentgeltlich für eine Sache zu engagieren und Themen weiterzudenken, wenn sie es für wichtig erachten. Das funktioniert immer wieder auch in der Wissenschaft.
Was sind Ihre unmittelbaren Pläne für die Zukunft?
Ich habe ein Masterstudium für Medizinische Informatik begonnen und studiere weiterhin Philosophie als Framework-Studium. Außerdem arbeite ich regelmäßig als Tutor für Veranstaltungen der Informatik, die ich früher selbst besucht habe. Im kommenden Wintersemester möchte ich ein Auslandssemester einlegen, für das beim Bachelorstudium keine Zeit war. Beruflich strebe ich eine Forschungslaufbahn an, jedoch möchte ich auch in wirtschaftlichem Umfeld Erfahrungen sammeln (etwa bei größeren Softwareprojekten oder in der IT-Beratung) - der Elfenbeinturm hat in einer komplexen Gesellschaft keine große Zukunft.
Was würden Sie einem/r StudienanfängerIn empfehlen?
Studieren heißt Fragen stellen, an sich selbst und wenn das nichts hilft: an seine Kolleginnen, an die Lehrpersonen, über fachliche Themen oder organisatorische Zusammenhänge. Prüfungen sind ein notwendiges Übel und Studienpläne Vorgaben der Verwaltung vieler Studierender, aber man kann sich beides angenehmer gestalten, indem man für sich selbst einen eigenen Zugang zum Thema findet. Und das geht über das beharrliche Fragen und aufmerksame Zuhören. Die Basisgruppe Informatik ist ein wertvoller Ausgangspunkt für Kooperationen und bildet zudem die Studien- und Fakultätsvertretung der Informatik. Am Institut für Philosophie in Wien gibt es eine Reihe von interessanten Lehrveranstaltungen zur Entwicklung der Logik und über Medien- und Technikphilosophie.