Zielsetzungen

Inhalte und Methoden der Informatik beeinflussen heute nicht nur praktisch alle anderen Wissenschaftsbereiche, ihre Anwendungen haben auch vielfältige Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf alle Lebensbereiche. Dadurch erweitert sich die Informatik von einer früher eher technisch-ingenieurwissenschaftlichen Disziplin zu einer Disziplin mit breiten Auswirkungen, Verbindungen und Anknüpfungspunkten, die z. B. auch in die Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften oder Humanwissenschaften reichen.

Die Fakultät für Informatik der Universität Wien deckt daher nicht nur eine Vielzahl von Themen in den Kerngebieten der Informatik, sondern auch in deren Anwendungsfeldern ab. Ein Ziel ist es, den disziplinären Kern der Fakultät für Informatik zu stärken, um daraus erfolgreich interdisziplinäre Verbindungen weiterzuentwickeln und sowohl in der Forschung als auch in der Lehre wertvolle Beiträge zu aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu leisten.
Dies gelingt insbesondere unter Berücksichtigung des breiten Fächerspektrums an der Universität Wien.
Durch Interaktion und Vernetzung mit einer Reihe von Fachbereichen prägt die Fakultät für Informatik ein unverwechselbares inhaltliches Profil aus. Interdisziplinäre Verbindungen bestehen:

  • in den Bereichen Data Science und Scientific Computing zu Mathematik, Astronomie, Chemie, Biologie und Wirtschaftswissenschaften;
  • im Bereich Bioinformatik zur Mathematik, Chemie, Biologie;
  • im Bereich Computational Science zur Pharmakologie und Pharmakoinformatik, Mathematik, Chemie, Biologie, Physik, Astronomie, Geowissenschaft;
  • im Bereich Wirtschaftsinformatik zu den Wirtschaftswissenschaften;
  • zur Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät,
  • im Bereich Informatikdidaktik zum Zentrum für Lehrer*innenbildung;
  • zur Psychologie;
  • zu den Rechtswissenschaften.

Diese Verbindungen werden laufend weiter ausgebaut.

Zusätzlich sollen Verbindungen

  • zu den Neuro-/Kognitionswissenschaften,
  • zur Fakultät für Sozialwissenschaften,
  • zur Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft,
  • zur Medizinischen Universität Wien

auf- und ausgebaut werden.

Die Fakultät richtet ihre Forschungsaktivitäten international aus und vernetzt sich aktiv auf nationaler und internationaler Ebene mit anderen Universitäten und Forschungseinrichtungen. Grundlagenforschung und angewandte Forschung sollen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Technologietransferaktivitäten sollen zur nachhaltigen Wirkung der Forschungsaktivitäten beitragen.
 

Forschungsschwerpunkte

Graphs and Networks

Der Schwerpunkt Graphs and Networks beschäftigt sich mit Fragestellungen zu Netzwerken, welche häufig als Graphen modelliert werden können. Diese Netzwerke umfassen einerseits Kommunikationsnetzwerke, welche das Rückgrat unserer digitalen Gesellschaft bilden, aber auch viele andere Arten von Netzwerken, wie beispielsweise soziale Netzwerke. Für die Nutzung und Kommunikation über solche Netzwerke sind neuartige Algorithmen erforderlich, die hohe Effizienz- und Skalierbarkeitsanforderungen erfüllen: Netzwerke wachsen zurzeit in vielen Bereichen rasant, was einen erhöhten Energiekonsum mit sich bringt. Durch die große Beliebtheit von datenzentrischen Anwendungen (in den Bereichen Health, Business, Social Networking, etc.) wächst beispielsweise insbesondere der Datenverkehr zu und von Rechenzentren explosionsartig, sodass wide-area-Netzwerke bald ihre Kapazitätsgrenzen erreichen könnten. Studien prognostizieren außerdem, dass Rechenzentren bis 2025 ca. 5% des weltweiten Energiekonsums ausmachen. Energieeffizienz und Sustainability stellen daher einen wesentlichen Forschungsaspekt dar.

Viele der Fragestellungen im Bereich solch großer Netzwerke erfordern die Lösung von algorithmischen Problemen auf Graphen. Effiziente Graphalgorithmen werden entwickelt, theoretisch analysiert und auch empirisch evaluiert. Die Forschungsaktivitäten umfassen auch dynamische, verteilte und parallele Algorithmen. Beispiele für Anwendungsbereiche für diese Algorithmen sind neuartige Kommunikationstechnologien wie Software-Defined Networks, programmierbare Data Planes, rekonfigurierbare optische Netzwerke, oder „Self-* Networks“, die sich autonom optimieren und reparieren und dadurch effizienter, sicherer und zuverlässiger werden.

Eng damit zusammenhängende Forschungsaktivitäten, die starke Verbindungen zum Forschungsschwerpunkt Data Science der Fakultät bilden, beschäftigen sich mit Algorithmen zum Verständnis von neuronalen Netzen und mit Algorithmen zur Wissensgewinnung aus sozialen Netzwerken. Graph-basierte Abstraktionen dienen auch als Grundlage für Algorithmen und Programmierung zukünftiger Rechnerarchitekturen, die einerseits hochgradig parallel, andererseits aus Gründen der Energieeffizienz zunehmend heterogen sind. Task-basierte Laufzeitsysteme, die es ermöglichen, komplexe skalierbare und adaptive Algorithmen, die als Basis für rechen- und datenintensive Applikationen dienen, als dynamische Graphen zu repräsentieren, spielen dabei für die Entwicklung einer neuen Generation von parallelen Programmiermodellen eine wichtige Rolle. Netzwerke sind auch von zentraler Bedeutung für Cloud-Datenzentren und Supercomputer, die mittlerweile Millionen von Prozessoren innerhalb eines Systems umfassen.
 

Data Science

Data Science beschäftigt sich mit der Gewinnung von Wissen aus Daten. Durch die digitale Transformation benötigen mittlerweile fast alle Wissenschaftsbereiche Data-Science-Methoden, und datengetriebene Forschung ist in zahlreichen Wissenschaftsbereichen von zentraler Bedeutung, z. B. in der Medizin und den Lebenswissenschaften, der Pharmazie, der Chemie und der Astrophysik, aber auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften basieren neue Erkenntnisse zunehmend auf Data-Science-Methoden. Gleichzeitig inspirieren Fragestellungen aus anderen Wissenschaftsbereichen die Entwicklung von neuen Data-Science-Methoden. Data Science ist in seiner breitesten Interpretation ein interdisziplinäres Forschungsgebiet und erfordert die intensive Zusammenarbeit von Methodenentwickler*innen und Anwender*innen. Die Universität Wien führt interdisziplinäre Forschungsaktivitäten in diesem Bereich durch. Die Fakultät für Informatik betreibt Informatikforschung in zentralen methodischen Komponenten der Data Science, ist führend an den interdisziplinären Aktivitäten beteiligt und bringt dort Informatik-Expertise ein. Gerade wegen der inhärenten Brückenfunktion ist Data Science einer der Forschungsschwerpunkte der Fakultät für Informatik.

Da Datenbestände ständig sehr schnell wachsen, sind Informatikmethoden zur Wissensgewinnung aus Daten unverzichtbare Pfeiler der Data-Science-Forschung. Die Forschungsfragestellungen betrachten den gesamten Prozess der Wissensgewinnung aus Daten: Methoden aus der Datenbankforschung zur effizienten Speicherung, Repräsentierung, Organisation und Ähnlichkeitssuche auf sehr großen Datenbeständen, Data-Mining-Methoden zum Finden von Trends und Mustern, Machine-Learning-Methoden zur Vorhersage von Zusammenhängen (wobei insbesondere Interpretable Machine Learning und Robust Machine Learning von Interesse sind) und Visualisierungsmethoden zum Verständnis von Daten und Modellen. In diesem Bereich bestehen Verbindungen zu algorithmisch-methodischen Komponenten der Computational Science, wo mittlerweile klassische ab-initio-Modelle immer stärker durch datenbasierte Modelle ergänzt werden und daher der Einsatz von Machine-Learning-Methoden ebenfalls große Bedeutung gewonnen hat.

Data Science ist ein aufstrebendes Forschungsgebiet, da in nahezu allen Wissensbereichen immer mehr Daten gewonnen und gesammelt werden können und da sich die Computing-Infrastruktur in den letzten Jahrzehnten rasant weiterentwickelt hat. Die stetige Weiterentwicklung und Diversität der Computing-Infrastruktur erfordert aber auch ein permanentes Weiterentwickeln von Algorithmen, Laufzeitsystemen sowie von Tools und Libraries, um die ambitionierten Zielsetzungen der Data Science auch erreichen zu können. Dabei stellen weitere Forschungsaktivitäten der Fakultät für Informatik, z. B. in den Bereichen Robustheit und Skalierbarkeit von numerischen Algorithmen, Methoden zur Analyse neuronaler Daten, Text Mining oder Software und Middleware wichtige Bausteine dar.
 

Intelligent, Distributed, and Secure Systems

Dieser Forschungsschwerpunkt basiert auf der Beobachtung, dass die reale und digitale Welt künftig zunehmend konvergieren. Der Fokus liegt in diesem Kontext primär auf intelligenten Systemen, die in diesem Transformationsprozess benötigt werden.

Eine Herausforderung dabei ist es, Methoden und Verfahren über das Wissen in intelligenten Systemen und Wissen über intelligente Systeme unter Berücksichtigung neuer Ansätze zu erforschen und zu entwickeln.

Daraus ergeben sich unter anderem folgende Forschungsfragen: Wie können Systeme entsprechend einem „Gestaltungsorientierten Ansatz“ entworfen und modelliert werden, sodass neue Architekturen in einem disruptiven Umfeld entstehen (Sustainability)? Wie ist domain-spezifisches Wissen zu formalisieren und wie kann dadurch eine Repräsentation „machine-understandable“ (operationalisierbar, intelligent) werden? Wie ist das Verhalten dieser intelligenten Systeme nachvollziehbar zu gestalten (Explainability)? Wie können in diesem Kontext Security and Privacy gewährleistet werden (Secure Systems)? Wie kann man mit den Herausforderungen der immer größer werdenden Verteilung von Informationssystemen umgehen (Distributed Systems)?

Die Komplexität und Vielfalt der Digitalisierungsthemen wird nicht nur durch entsprechend positionierte Forschungsansätze adressiert, sondern auch durch einen gestaltungsorientierten Ansatz, der disruptive Technologien mitbetrachtet. Die genannten Forschungsfragen sind von zentraler Bedeutung sowohl für den Kern der Informatik als auch wesentlicher Bestandteil einer modernen, system- und gestaltungsorientierten Wirtschaftsinformatik, wie sie in der Fakultät für Informatik beheimatet ist.

Dieser Forschungsschwerpunkt umfasst Forschung an und die Entwicklung von Ansätzen, Methoden und Werkzeugen für die Themengebiete Cloud Computing, Flexible and Distributed Processes, Parallel Computing, konzeptuelle Modellierung, Intelligent and Agile Agents, DevOps, Semantic Technologies, Internet der Zukunft, service-orientierte Systeme, Kooperative Systeme, IT-Infrastruktur für Industrie 4.0, Cyber-Physical Systems (CPS), Internet of Things, sowie Blockchain-Systeme.

Die Semantik der spezifischen Anwendungsdomäne ist insbesondere relevant, damit neue Technologien adäquat eingesetzt werden können. Dazu dient die konzeptuelle Modellierung als Fundament. Durch Zusammenführen von verschiedenen grundlegenden und in Entwicklung befindlichen neuen Technologien sollen Machbarkeit und Lösungsansätze im Rahmen von prototypischen Systemen illustriert und nachweisbar gemacht werden.

Im Rahmen von gestaltungsorientierter Forschung werden prototypische Umsetzungen unter Verwendung von Emergent Technologies entworfen, realisiert und validiert. Unter Verwendung von konkreten Use Cases ist es möglich, die entwickelten Modelle in einem „Experimental Environment“ zu evaluieren. Somit ergibt sich auch die Möglichkeit, die Symbiose der virtuellen und realen Welt, die durch die Digitalisierung entsteht, greifbar zu machen.
 

Human-Centered Computing

Human-Centered Computing stellt den Menschen und seine vielfältigen Bedürfnisse und Bestrebungen in den Mittelpunkt der Forschung und umfasst sowohl die theoretische als auch die experimentelle Entwicklung von Mensch-Computer-Systemen, Schnittstellen, Modellen und Interaktionsprozessen. Human-Centered Computing ist ein inhärent disziplinenübergreifender Bereich zwischen Informatik und Psychologie, Human-, Neuro-, Sozial-, Wirtschafts-, Rechts-, Politik-, Translations- und Kommunikationswissenschaft, Technikphilosophie, Ethik, Kunst, etc. Dieser Forschungsschwerpunkt fokussiert auf die Informatikaspekte und auf die daraus entstehenden Verbindungen in die genannten anderen Disziplinen.

Im Zentrum der Forschungsaktivitäten steht die Vision, durch Human-Centered Computing zur Erhöhung von Lebensqualität, sozialer Inklusion, Effektivität wie auch persönlicher Erfüllung und Sinnstiftung für den einzelnen wie auch für die Gesellschaft beizutragen und den Digital Gap zu verringern. Mitglieder der Fakultät beschäftigen sich mit dem Human-Centered Design von Mensch-Computer-Schnittstellen, Assistive Communication Devices, Brain-Computer Interfaces, Technologien und Systemen zur Inklusion und Befähigung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen, mit der Verbesserung von User-Experience zur Erhöhung der Akzeptanz von Anwendungen sowie mit Fragen des wertebasierten Einsatzes und der nachhaltigen Weiterentwicklung von IKT.

Neben dem Fokus auf die Gestaltung der Schnittstellen zwischen Mensch und Computer erforscht die Fakultät in mehreren, teilweise auch interdisziplinär aufgesetzten Initiativen, Technologien, die den Menschen beim Lernen, Entscheiden, Arbeiten und bei der Verbesserung der Lebensqualität im digitalen Wandel unterstützen sollen. Dies erfolgt zum Beispiel durch die empirische Erforschung von Einflussfaktoren bei der Nutzung von Informationstechnologien, durch die Erweiterung und Verbesserung von menschlichen Lernvorgängen durch digital-unterstützte Zugänge, durch die nachvollziehbare Erklärung und verständliche Visualisierung von AI-Modellen sowie durch digitale Technologien zur Unterstützung von Kommunikation und Kooperation.

An der Fakultät für Informatik bestehen wichtige Verbindungen zwischen dem Forschungsschwerpunkt Human-Centered Computing und dem Forschungsschwerpunkt Data Science im Bereich von Technologie-erweitertem Lernen sowie einer für Menschen verständlichen Visualisierung von Daten. Der Forschungsschwerpunkt Intelligent, Distributed, and Secure Systems ist mit dem Forschungsschwerpunkt Human-Centered Computing durch den Forschungsansatz des Design Thinking inhärent verknüpft, um Mensch-zentrierte Systeme und Schnittstellen zu entwickeln. Weiters sind Sicherheit und die Wahrung der Privatsphäre essentielle Charakteristika von Human-Centered Computing und daher eng mit den Sicherheitsanliegen im Forschungsschwerpunkt Intelligent, Distributed, and Secure Systems verknüpft. Eine wichtige Verbindung besteht auch zum Forschungsbereich Computer Science Education (Didaktik der Informatik), insbesondere durch Physical Computing, Gaming Education und Technology-enhanced Learning.

Themenfelder

Themenfelder Forschung der Fakultät für Informatik

Die strategische Ausrichtung der Fakultät für Informatik orientiert sich in ihrer wissenschaftlichen Forschung an den drei Themenfeldern Theory and Computing, Data and Knowledge und Models and Systems, die heute Kerngebiete der Informatik mit hoher Relevanz darstellen.

Theory and Computing

Prinzipien, Methoden und Techniken der Informatik werden weiterentwickelt und in Verbindung mit Technologien der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) zur Lösung von Aufgabenstellungen in anderen Wissenschaftsdisziplinen herangezogen.
 

Data and Knowledge

Dieses Themenfeld umfasst alle Strukturen und Prozesse der Informatik, welche das Sammeln, Organisieren, Aufbereiten, Analysieren und Darstellen von Daten und Wissen in allen Formen ermöglichen und auch die Entwicklung neuen Wissens durch Lernprozesse und Kooperation erlauben.
 

Models and Systems

Unter Systemen in der Informatik versteht man den ganzheitlichen Zusammenhang von Objekten oder Prozessen, die voneinander abhängig sind, ineinandergreifen oder zusammenwirken. Modelle sind Abstraktionen der in der Informatik betrachteten Systeme, die zentral für das Verständnis der Systeme, deren Entwicklung und Design, deren Analyse sowie deren Optimierung sind.